Textilrestauration

Instandhaltung persönlicher Erinnerungsstücke

Die Sammlung des Deutschen Auswandererhauses ist eine Sammlung zur Migrationsgeschichte. Sie besteht aus Dokumenten, Fotos, Interviews auf Film und Tonband – und aus persönlichen Erinnerungsstücken, die gleichermaßen von den alten und neuen Leben von Migrant:innen erzählen. Seit der Eröffnung des Museums 2005 ist die Sammlung auf über 3000 Familiengeschichten gewachsen. Die Objekte, die aus mehreren Jahrhunderten Migrationsgeschichte stammen, sollen nun endlich mehr Raum in der neuen Dauerausstellung erhalten, denn kaum etwas lässt Vergangenes so lebendig werden wie materialisierte Lebensgeschichten aus etwa Papier, Metall oder Glas.

Über 300 bisher noch nicht gezeigte Objekte werden ab dem 26. Juni 2021 zusätzlich zu den bisher gezeigten Sammlungsstücken dauerhaft für die Besucher:innen zu sehen sein. Dafür ist zuweilen eine Restaurierung notwendig, außerdem Schutz vor natürlichen Alterungsprozessen durch Licht, Feuchtigkeit oder Reibung.

Prominente Materialien, aus denen Erinnerungsstücke bestehen, sind unter anderem Stoff und Leder. Die zeigen als Alltagsgegenstände in der Regel schnell Nutzungsspuren und sind als Naturmaterialien der Gefahr ausgesetzt, von Pilzen und hungrigen Insekten attackiert zu werden. Diplom-Textil- und Lederrestauratorin Carmen Markert kam daher aus Hannover, um Sammlungsstücke zu begutachten. Etwa an der metergroßen US-Flagge von 1908, die Blickfang im „Grand Central Terminal“ des Museums ist, gab es Arbeit: ein Amerika-Auswanderer brachte sie bei einem Besuch in der Heimat nach Drakenburg mit. Die Familie seiner dort zurückgelassenen Tochter verwahrte diese fast ein Jahrhundert und schenkte sie dem Deutschen Auswandererhaus. Im April 2021 restaurierte Carmen Markert die Flagge aus Kalifornien zusammen mit zwei Kolleg:innen - Restauratorin Eva Kümmel (Lübeck) und Markerts Vor-Praktikantin Laura van der Put. Sorgfältig wurden dabei Zeichen der Zeit wie Risse mit Nadel und Faden neu verbunden. Dann wurde das große Leinentuch neu fixiert und sicher gerahmt.

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Mitte Mai 2021 besprachen Dr. Simone Blaschka, Direktorin des Deutschen Auswandererhauses, Sammlungsleiterin Dr. Tanja Fittkau und die Restauratorin, wie weitere sensible Sammlungs-Textilien präsentiert werden können. Dazu werden für die einzelnen Objekte klimatischen Bedingungen, Licht und Montierungsformen für eine sogenannte „konservatorischen Hängung“ festgelegt, die sicherstellt, dass die Sammlungsstücke auch in der Vitrine lange erhalten bleiben.

Auch für ein Kinderkleid von 1952 aus der Ukrainischen Sowjetischen Sozialistischen Republik ist dies geplant. Das von der Großmutter aus Stoffresten genähte Kleidchen gehörte der Physikingenieurin Elena (Olena) Fridrih als Kind. Sie nahm es als Erinnerungsstück 1992 als Kontingentgeflüchtete mit in die Bunderepublik. Ihre Urenkel überließen das liebevoll bestickte Stück 2016 dem Deutschen Auswandererhaus, wo es bald in der Dauerausstellung zu sehen sein wird.

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