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Ingeborg und Erk Tadsen in ihrem Haus in Nebel (Amrum)

Sonderausstellung

Nach New York: „In Hamburg kannten wir doch keinen.“
Sonderausstellung über Aus- und Rückwanderer von Amrum und Föhr

Ein schimmerndes Goldnugget macht den Anfang – nicht nur in der neuen Sonderausstellung des Deutschen Auswandererhauses Bremerhaven, sondern auch, als 1848 Gold in Kalifornien gefunden wurde. Damals begannen die Bewohner von Amrum und Föhr, in die Neue Welt aufzubrechen. Und schon bald entstand eine Tradition: Wer mehr erreichen wollte, als von der harten Seefahrt und der kargen Landwirtschaft zu leben, der ging ins ferne Nordamerika – nicht in die nahe gelegene, boomende Hafen- und Industriestadt Hamburg.

„In der Hansestadt kannte man niemanden, der einem beruflich helfen konnte, während im gelobten Land bereits dutzende gut vernetzte Verwandte und Freunde lebten“, erläutert Katrin Quirin, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Auswandererhauses die Ausstellung kuratierte. „Einem ausgewanderten Amrumer und Föhrer folgten oft weitere. Dieses als Kettenwanderung bezeichnete Phänomen war auf beiden Nordfriesischen Inseln stark verbreitet“, sagt Katrin Quirin.

Bevor die beiden Nordfriesischen Inseln zu beliebten Ferienzielen aufstiegen, wanderten in den 1950er und 1960er Jahren viele Amrumer und Föhrer nach New York aus. Dort ließ sich „gutes Geld” verdienen – zum Beispiel in einem der vielen kleinen Lebensmittelgeschäfte (Engl.: „Deli“), die es in der Metropole auch heute noch an jeder Ecke gibt. Obwohl sie wenig Englisch sprachen, mussten sie vom ersten Tag an die Kundschaft bedienen. Chefs und Kollegen kannten dabei kein Pardon und so hieß es: „Get out – sink or swim” („Los – schwimm oder geh unter”). Manche der Nordfriesen kauften später sogar ihren eigenen Laden. Zahlreiche Erinnerungsstücke an diese Zeit, wie den ersten verdienten Dollar oder das Rezept für den hausgemachten Kartoffelsalat, den sie in ihrem Deli verkauften, haben sie bis heute aufbewahrt.

Einige der Auswanderer waren jedoch nur „Auswanderer auf Zeit” und kehrten nach einigen Jahren wieder heim, um etwa den elterlichen Hof auf Amrum oder Föhr zu übernehmen. Es gab kaum größere Gegensätze: dort die quirlige Großstadt, hier das platte Land. Die Auswanderung auf Zeit sei eine weitere Besonderheit dieses ungewöhnlichen Kapitels deutscher Auswanderungsgeschichte, erklärt Katrin Quirin: „Rückwanderungen gab es zwar in ganz Deutschland, aber auf den beiden Inseln lag ihre Zahl im 20. Jahrhundert bei über 22 Prozent – deutschlandweit im Vergleich bei 18 Prozent.“ Vor allem die Geschichte dieser Rückkehrer erzählt die Sonderausstellung im Deutschen Auswandererhaus anhand von sechs spannenden Lebenswegen.

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Erk Tadsen (2. v. li.) arbeitet nach seiner Auswanderung 1962 zunächst als Zimmermann. Ingeborg (2. v. re.) folgt ihm wenige Monate später und findet eine Anstellung als Kindermädchen.