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Henry Dohrmann

* 1884 in New York, USA

ⴕ 1953, Wulsdorf/Bremerhaven

Einwanderung nach Bremerhaven: 1887

Der Verlust eines Elternteils ist für jedes Kind ein harter Einschnitt – für den kleinen Henry aber bedeutet der Tod der Mutter zusätzlich den Verlust seiner bisherigen Heimat. Seine Einwanderungsgeschichte und die Folgen beschäftigen die Familie noch mehr als 130 Jahre später.

Im Juni 1884 wird Henry Dohrmann als Sohn des Kaufmanns Herrmann Heinrich Dohrmann und seiner Frau Auguste in Brooklyn / New York, geboren. Beide Eltern sind aus Deutschland eingewandert. Bei der Geburt von Henrys Schwester Mary kommt es zu Komplikationen. Für den Fall ihres Todes verfügt die Mutter, dass Henry bei ihren Eltern in Wulsdorf aufwachsen soll – nicht aber seine Schwester, die bei Pflegeeltern in den USA bleiben soll. Die Beweggründe von Auguste Dohrmann bleiben dabei bis heute unklar. Dann verstirbt sie tatsächlich. Nur in Begleitung einer Angestellten der Schifffahrtsgesellschaft, so erinnert sich die Familie, tritt Henry als Kleinkind die Reise nach Deutschland an.

Nach seiner Kindheit bei den Großeltern in Bremerhaven arbeitet Henry Dohrmann zunächst als Fischhändler bei Robert Lewens in Wilhelmsburg bei (heute: in) Hamburg. Dort lernt er seine zukünftige Frau kennen. Schließlich zieht es ihn zurück nach Bremerhaven, wo er eine Dependance des Wilhelmsburger Fischhändlers leitet. Seinen Kindern gibt er auf den Weg, dass sie gut Englisch lernen sollen; für Henry ist die Sprache wichtig.

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Henry Dohrmann, Anfang des 20. Jahrhunderts.

1929 kauft sich Henry Dohrmann, teil mit ersparten Dollar aus den USA, eine Villa am Vieländer Weg in Wulsdorf – noch heute als „Villa Dohrmann“ bekannt. Henry Dohrmann verbringt viel Zeit im Garten des Hauses, auch mit seiner Enkelin Anna-Gesine. Fotos dieser Momente im Garten vermitteln heute Urenkelin Berit Seitz und ihrem Vater Hartmuth Seitz einen Eindruck von Henry, den sie selbst nie kennen gelernt haben. Anna-Gesine Seitz dagegen hat ihre ersten Lebensjahre im selben Haushalt gelebt wie Henry. „Sie war ein Opa-Kind“, sagt ihre Tochter heute. Anna-Gesine erinnert die Traurigkeit des Großvaters, wenn die Sprache auf dessen Schwester kam. Zu Mary Dohrmann, nach dem Tod der Mutter in den USA geblieben, riss der Kontakt ab. Trotz zahlreicher Bemühungen haben weder Henry Dohrmann noch seine Nachfahren herausfinden können, was aus ihr geworden ist. Am 2. Mai 1953 verstirbt Henry Dohrmann in Wulsdorf, ohne es noch einmal geschafft zu haben, nach New York, an den Ort seiner ersten Lebensjahre, zurückzukehren. Auch für seine Söhne bleiben die USA ein Traumort, den sie niemals zu Gesicht bekommen.

Damit ist die Geschichte allerdings nicht zu Ende. Denn 2019 machen sich Enkelin Anna-Gesine Seitz und ihr Mann Hartmuth in die USA auf. Sie versuchen zu rekonstruieren, wo Opa Henry gelebt hat. „Mit dieser Reise hat sie im Grunde das Vermächtnis von Henry Dohrmann erfüllt“, sagt Berit Seitz über ihre Mutter. Allerdings gibt es nicht mehr viele Orte, die noch so existieren wie Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Ausnahme ist die Brooklyner Zionskirche. Kurz nachdem Anna-Gesine dort den Taufstein ihres Großvaters gesehen hat, verstirbt sie in New York – am gleichen Tag des gleichen Monats wie Henry Dohrmann: am 2. Mai 2019.