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Helene Lauenburger

geb. Lena Schira

* 1989 in Alexandrowka, Omsk, Oblast Omsk, Russland

Einwanderung nach Bremerhaven: 1992

Während ihrer Schulzeit in Bremerhaven galt Helene Schira (heute: Lauenburger) als Russin, heutzutage wissen viele ihrer Kolleg:innen nichts über ihren Background. Dabei hat Helene selbst keine Erinnerungen an ihre Zeit in der kleinen Ortschaft Alexandrowskij bei Nowosibirsk in Russland. Zusammen mit zwei älteren Geschwistern, ihren Eltern und Großeltern kam die Tochter einer Kindergärtnerin und eines Arbeiters 1992 im Alter von drei Jahren nach Deutschland. Dort, in Bremerhaven, lebte bereits ihre Tante mit Familie, die einiger Zeit zuvor ausreist war. Nach einem kurzen Aufenthalt in Schöneburg wird die Familie in einer leer stehenden Kaserne in Bremerhaven einquartiert.

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Helene Lauenburger

Danach wird der Familie eine Übergangswohnung in einem Haus auf 130 Quadratmetern mit zwei weiteren Familien zugeteilt und sie darf schließlich eine eigene Wohnung in der Ferdinand-Lassale-Straße, wo viele „Spätaussiedler“ aus der ehemaligen UdSSR leben, beziehen. Helenes Großmutter besucht an Russlanddeutsche gerichtete Veranstaltungen in der Lukaskirche, der Vater arbeitet auf Montage. Helene besucht in Bremerhaven die Realschule, macht ihr Fachabitur und beginnt anschließend beim Amtsgericht in Bremerhaven-Lehe zu arbeiten.

Ihre sibirisch-russlanddeutsche Familiengeschichte erfährt Helene, die in Russland noch Lena hieß, erst nach und nach. Ihre Großeltern wurden aus der Wolgaregion nach Sibirien deportiert. Ihr Großvater wurde in eine kasachische Familie abgegeben, als seine Mutter wegen Diebstahls von Kolchose-Lebensmitteln für ihre hungernden Kinder inhaftiert wurde. Der Vater sprach neben Deutsch und Russisch auch fließend Kasachisch.

Helenes Eltern legen in Deutschland viel Wert darauf, die deutsche Sprache zu erlernen und versuchen zu Hause auf Russisch zu verzichten. Heute spricht Helene akzentfrei Deutsch, aber nur bruchstückhaft Russisch. Dennoch erinnert in der Familie noch einiges an Russland: Nicht nur kocht sie russische Gerichte, sondern die evangelische Familie feiert neben westkirchlichen Weihnachten und Neujahr auch orthodoxe Weihnachten am 7. Januar. Ihre zwei eigenen Kinder, sechs und drei Jahre alt, lieben es bei den Großeltern „mul’tiki“ – wie Zeichentrickfilme auf Russisch genannt werden – zu schauen. Ihre Lieblingsserie ist „Nu pogodi“, die sowjetische Antwort auf „Tom & Jerry“, bei der ein Hase und ein Wolf sich gegenseitig Streiche spielen.

Russisch ist nicht die einzige Sprache, die Helenas Kinder neben dem Deutschen im ihrem Alltag lernen. Ihr Vater, den Helene seit der siebten Klasse kennt, ist ein Sinto. Bei ihm und seinen Großeltern lernen sie Romnes.

Zweimal hat Helene ihr Heimatdorf besucht. Für sie war es ein Ausflug in eine andere Welt, wo man echte Pferde reiten konnte, für ein Bad aber auch extra aufgebrühtes Wasser in eine Wanne schütten musste, da es keine Wasserleitung gibt.