„Wie aus einer anderen Welt“
Sonderausstellung des Deutschen Auswandererhauses zum Phänomen „Flüchtlingsstädte“ der 1950er Jahre am Beispiel der nordrhein-westfälischen Stadt Espelkamp
Es ist ein Stück Migrationsgeschichte der Bundesrepublik, das selten als solche erzählt wird: Am Dienstag, 12. März 2024, eröffnete die Sonderausstellung „Neu anfangen, nur wie? Espelkamp und andere 'Flüchtlingsstädte' in den 1950er Jahren“ des Deutschen Auswandererhauses in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie war vom 14. März bis zum 18. April 2024 in Espelkamp (NRW) und ab dem 26. April 2024 bei uns zu sehen.
Anlässlich des 75. Geburtstages der Bundesrepublik setzt sich das Migrationsmuseum Deutsches Auswandererhaus in seiner Wanderausstellung mit einer wichtigen Frage der frühen Republik auseinander, die das Leben politisch, sozial und ökonomisch, aber auch künstlerisch und ethisch prägte: „Neu anfangen, nur wie?" Nach den Verbrechen des Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg mit weltweit mehr als 70 Millionen Toten fand in der frühen Bundesrepublik meist ein alltägliches Handeln und lebensnotwendiges Planen der Zukunft statt, ohne Rückblick auf die Zeit zwischen 1933 und 1945.
Die Ausstellung blickt zunächst auf städtebauliche Projekte, die halfen, Millionen aus dem Osten Geflüchtete und Vertriebene sowie Ausgebombte im kriegszerstörten Land unterzubringen. Neben Hannover und Bremen liegt dabei ein besonderes Augenmerk auf der nordrhein-westfälischen Stadt Espelkamp. Die erwuchs in diesen Jahren zu großen Teilen auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik und einem zugehörigen ehemaligen Lager für vor allem russische Zwangsarbeiter:innen – und erhielt bald den Ruf einer "Modellstadt".
Museumsdirektorin Dr. Simone Blaschka über die Idee der Ausstellung: „In ihren Anfängen ignorierte die BRD den Holocaust und den Vernichtungskrieg und konzentrierte sich auf Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Integration von Millionen deutscher Geflohener und Vertriebener. Statt von Anfang an aufgrund dieser Menschen eine Identität als Einwanderungsland zu entwickeln, wurde bis weit in die 2000er Jahre auf eine angeblich homogene Identität gesetzt. Wir haben uns auf die Suche nach jenen begeben, die nach der Flucht zu einem vollständigen Neuanfang gezwungen waren und vor Ort als Außenseiter oft auch baulich neue Räume erschließen mussten. Gab es ein Selbstverständnis als 'Migrant:innen'? Wie wurden ihre Erfahrungen in den Folgegenerationen reflektiert?"
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums und Kurator der Ausstellung, Alexander Kollecker, leitet aus dieser persönlichen Seite der Ausstellung auch die Entscheidung für die Stadt in Westfalen ein: „Meine Kolleg:innen und ich möchten zeigen, wo und ob Spuren von und Erinnerungen an Flucht und Vertreibung in Espelkamp heute noch präsent sind. In einer Stadt deren Entstehung so eng mit dieser enormen Migrationsbewegung verbunden ist und deren Bewohner:innen uns aus erster Hand von Ankunft und Neuanfang berichtet haben. Der Umgang mit diesen Erinnerungen wird die Bundesrepublik auch zukünftig prägen." Die Ausstellung wird in einem der ältesten Gebäude Espelkamps gezeigt, das früher zur Munitionsanstalt gehörte und heute als Kulturzentrum dient: Die Alte Gießerei.
Die Eröffnung fand am Dienstag, 12. März, in Anwesenheit von Bundespräsident Frank -Walter Steinmeier statt und war in den folgenden Wochen vor Ort zu sehen. Danach zieht die Ausstellung in das Deutsche Auswandererhaus nach Bremerhaven um.
„Neu anfangen, nur wie? Espelkamp und andere 'Flüchtlingsstädte' in den 1950er Jahren“ | |
Espelkamp
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Öffnungszeiten: täglich 10:00 – 18:00 Uhr |