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Bremerhaven, 03. August 2023

Kunst am Bau:
Wie klingt Migration?

Siebenköpfige Jury entscheidet sich für die Arbeit „Triad“ der beiden in Berlin lebenden Künstler Cyrill Lachauer und Ari Benjamin Meyers als „Kunst am Bau“ vor dem Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven. Das Werk soll ab Ende des Jahres aufgestellt sein.

Mit der Erweiterung des Migrationsmuseums 2021 entstand die Frage nach einer passenden künstlerischen Kommentierung des mehrteiligen, nun deutlich größeren Gebäudeensembles. Der Neubau beherbergt eine Ausstellung zur Geschichte der Einwanderung nach Deutschland sowie die Forschungs- und Bildungseinrichtung Academy of Comparative Migration Studies (ACOMIS). Das ursprüngliche Haus zeigt die Migration aus Europa nach Übersee. Die Ausschreibung fragte eingeladene Künstler:innen „Wie klingt Migration?“. Die Arbeit soll im Freiraum an der Hafenpromenade vor dem Museum umgesetzt werden und damit für alle sichtbar sein. Der Klang soll eine weitere Dimension des Migrationsthemas berühren, das so nicht im Museum abgebildet werden kann.

Die Wahl der Jury fiel auf die Kooperation von Cyrill Lachauer, dessen multimediale Installationen bereits in München, Berlin und Rom zu sehen waren, und dem Komponisten und Künstler Ari Benjamin Meyers, dessen interdisziplinären, oft performativen Arbeiten unter anderem bei der Art Basel, auf dem Festival d‘Avignon und am Mudam Luxembourg zu sehen waren. Das Konzept der beiden Künstler, das die Jury überzeugte, steht zwischen dem Konkret-Lokalen und dem Abstrakt-Universellen und Globalen: Es setzt sich mit Migration als überzeitlichem Phänomen wie als historische Normalität auseinander und erlaubt dabei einen Anschluss an das hochaktuelle Thema „Umweltmigration“, ebenfalls in einer historisch weitreichenden Perspektive.

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Cyrill Lachauer ist bildender Künstler, Fotograf und Filmemacher. Er hat Abschlüsse in Kunst und Ethnologie von der Akademie der Bildenden Künste München, der UdK Berlin und der LMU München.

Das Vorhaben verweist dabei vielschichtig auf Zusammenhänge und Verwobenheiten – in kleinen und großen sozialen Gefügen, mit der belebten und unbelebten Umwelt, in Raum und Zeit. Einen materiellen Ausdruck soll das Werk in drei besonderen Findlingen erhalten, die sich auch im Arbeitstitel „Triad“ widerspiegeln. Dabei handelt es sich um Steine, die von Gletschern während der Eiszeit viele hundert Kilometer transportiert wurden und nun – trotz hohen Gewichts und physischen Widerstands – weit von ihrem Ursprungsort zu finden sind. Die ständigen Veränderungsprozesse und letztendlich auf Dauer oft übermächtigen Kräfte der Umwelt auf das Individuum sollen dabei hörbar werden: Die Komposition aus Field Recordings wie etwa Audioaufnahmen von unterschiedlichen Gletschern, menschlichen Stimmen und der Sound der Fundorte wird in Bremerhaven hörbar sein. Der Klang der schmelzenden Gletscher verweist dabei nicht nur auf Vergangenheit und Gegenwart, sondern zieht bewusst eine Linie in die Zukunft.

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Ari Benjamin Meyers ist Komponist, Dirigent und bildender Künstler. Ausgebildet wurde er an der Juilliard School, der Universität Yale wie am Peabody Institute, John Hopkins Universität, USA.

Die Jury betonte „die besondere Poesie des Werkes“ wie das glückende Zusammenspiel zweier aktueller Themen, Klimawandel und Migration, und dass die Umsetzung hohe Sensibilität für Migrationsschicksale zeige. „[D]as Getrieben-Werden, Hineinwandern-Müssen, Hineingeworfen-Sein in eine neue Umgebung [sind] Gefühle, die viele Migranten und Migrantinnen auch in Oral-History-Interviews mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des Museums immer wieder äußern. Das Wort „Findling“ spiegelt auch bestimmte Gefühle und Gedanken wieder: das Gefühl des Verlorenseins, das Darauf-angewiesen-Sein, dass man in seiner Schutzlosigkeit Hilfe und Unterstützung bekommt“, führt die Jurybegründung aus. Das Werk wird an seinem Platz direkt am Neuen Hafen eingerahmt von den beiden Gebäudeteilen des Deutschen Auswandererhauses.

Die Jury setzt sich aus vier Kunstsachverständigen – Prof. Ingo Vetter (Hochschule für Künste, Bremen) als Vorsitzendem, Teresa Casanueva (bildende Künstlerin, Berlin),  Dr. Ingmar Lähnemann (Leiter Städtische Galerie Bremen beim Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen) und Mirjam Verhey-Focke (Kustodin Gerhard-Marcks-Haus, Bremen) – sowie als weitere Jurymitglieder aus Museumsdirektorin Dr. Simone Blaschka (Deutsches Auswandererhaus), Architekt Andreas Heller (Andreas Heller Architects & Designers, Hamburg) und Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz als Aufsichtsratsvorsitzendem der BEAN Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen mbH & Co. KG (bei der Abstimmung vertreten durch Heiner Behrens, Dipl.-Ing. Architekt und Prokurist BEAN) zusammen.

Die Erweiterung des Museums wurde vom Bund, vom Land Bremen und der Stadt Bremerhaven gefördert.

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Noch ist der Platz zum Hafen hin leer, bald wird hier das Werk der beiden in Berlin lebenden Künstler zu sehen sein.