Objekt des Monats
Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.
April 2016
Maurerkelle aus den 1950er Jahren
Material | Holz, Stahl |
Maße | 18 cm x 19 cm x 18,5 cm |
Schenkung | Hans Scheib |
Historische Einordnung
Maurerkellen sind seit Jahrhunderten die wichtigsten Werkzeuge der Maurer:innen und wurden nachweislich bereits von römischen Handwerker:innen genutzt. Bis heute dient die Kelle, in verschiedenen Ausführungen, dem Verarbeiten von Mörtel oder Putz. Kleinere Dreieckskellen werden zudem bei archäologischen Ausgrabungen verwendet, um Objekte sorgfältig und langsam von darüber lagernden Erdschichten zu befreien.
Kurzbiographie
Hans Scheib wird 1940 in Winterbach im Saarland geboren und macht dort später eine Lehre zum Maurer. 1960 ändert sich sein Leben: Hans wird gemustert, soll Wehrdienst leisten. Er entschließt sich, Deutschland zu verlassen. Sein Ziel: Kanada. Viele Geschichten über „die unendliche Prärie Kanadas“ und die „Rockys, Urwälder und Niagarafälle“ hatte Bäcker Luis der Dorfjugend in Winterbach erzählt – und damit die Abenteuerlust bei Hans Scheib geweckt. Über Paris reist der junge Mann mit dem ehemaligen Truppen-Schiff „Arkadia“ nach Quebec City. Bei seiner Ankunft am 22. August 1960 hat er gerade noch 35 Dollar in der Tasche. Ein Beamter auf dem kanadischen Konsulat in Köln hatte Hans empfohlen, nach London, Ontario zu gehen. Dort angekommen, ist sein Geld aufgebraucht und der junge Mann sucht dringend Arbeit. Er findet eine Hilfsarbeiterstelle und fängt mit 85 Cent Stundenlohn an. Da er die Sprache nicht beherrscht, meldet er sich zur Abendschule an – und paukt Englisch mit anderen Auswander:innen aus Deutschland. Mit der Sprache verbessert sich die berufliche Situation, Hans findet eine Stelle als Polier bei der Firma Esam Construction und baut Hochhäuser. Auch privat ändert sich für ihn einiges durch den Sprachunterricht: Er lernt dort die Pfälzerin Heidi Mergenthaler kennen und lieben. Am 23. September 1963 heiratet das Paar, zwei Söhne werden geboren. Beruflich geht es weiter bergauf: Hans bleibt beim Bau, übernimmt aber leitende Positionen. „Ein Aufstieg wie im Auswanderer-Bilderbuch“, sagt der heute 74-Jährige schmunzelnd.
Bedeutung des Objekts
Die Maurerkelle von Hans Scheib ist ein handelsübliches Serienprodukt. Seine Bedeutung als migrationsgeschichtliches Museumsobjekt erklärt sich erst durch die emotionale Bindung an die Lebensgeschichte des Auswanderers: Als Hans Scheib sich 1960 auf den Weg nach Kanada macht, befindet sich im Gepäck des jungen Maurers auch seine Dreieckskelle. Damit möchte er viel Geld in der neuen Heimat verdienen – und wird dafür zunächst nur belächelt. Bis zum erhofften sicheren Auskommen und beruflichen Aufstieg in der Baubranche vergehen einige Jahre schwerer Arbeit, doch Hans hält an seinem Traum fest. Die Kelle bewahrt er bis heute als Symbol für seine Hoffnungen, die er schließlich in die Realität umsetzten konnte. Sie ist heute nicht nur ein einzigartiges Erinnerungsstück in der Lebensgeschichte des Handwerkers, sondern migrationsgeschichtlich auch ein Beleg für seine Auswanderungsmotivation: die Suche nach Arbeit und einem besseren Auskommen.
Haben auch Sie …
… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0 oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de