Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

Februar 2025

FotografieVilla Blechhügel“, 1924

Größe

9x12cm

Material

Papier

Schenkung

Elfie Isenbügel-Makowika

odm-feb-2025_schenkung_-elfie-isenbugel-makowika

Historische Einordnung

In den 1920er Jahren erschweren im Deutschen Reich die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Wirtschaftskrise das Alltagsleben. Ein Ausweg: die Auswanderung. Das vor dem Krieg beliebteste Zielland der Deutschen, die USA, beschränkt allerdings die Einwanderung mit einem Quotensystem. Populärer werden lateinamerikanische Länder, unter ihnen Brasilien. In den 1920er Jahren wandern ca. 8400 Deutsche pro Jahr dorthin aus, eine Zahl, die weder in den Jahrzehnten davor noch in denen danach auch nur annähernd eingeholt wird.

Kurzbiographie

Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage gründet Familie Isenbügel aus Mettmann Anfang der 1920er Jahre eine Genossenschaft mit, die Land in Brasilien kaufen soll. Nach zweijähriger Vorbereitungszeit bricht eine Gruppe Auswanderungswilliger, unter ihnen die Isenbügels, 1924 dorthin auf.

Zwei Mitglieder der Genossenschaft sind schon zuvor nach Brasilien gefahren, um Land zu kaufen und die Ankunft der anderen Auswandernden vorzubereiten. Als diese nun nachkommen, erwartet sie allerdings eine böse Überraschung. Hans Isenbügel empfindet bei seiner Ankunft die Siedlung – im Gegensatz zu dem, was ihm von den Vorausgereisten geschildert worden war - als völlig unzureichend:

 „Dann entdeckten wir den Mangel an Räumen für unsere Unterkunft, entdeckten, das [sic] der uns in Deutschland gezeigte Kaufvertrag der Facienda gefälscht war und sehr vieles mehr. Eine Wohnung bekam allerdings jeder angeboten, doch eine solche, wie sie kein Wohnungsamt in Deutschland vergeben würde. Wir bekamen ein kleines Blechhäuschen ohne Fenster zugewiesen, das in den nächsten Tagen den Namen „Villa Blechhügel“ bekam.“

Auch das Land ist noch nicht gekauft. Die vorausgeschickten Genossenschaftsmitglieder hatten ihre Mitstreiter:innen vor deren Abreise dahingehend belogen und beginnen nun, sie auch finanziell mit überteuerten Lebensmittelpreisen auszunehmen.

Bald nach ihrer Ankunft warnt Hans Isenbügel weitere Auswanderungswillige aus Mettmann per Brief, ihnen nicht nachzukommen. Neben dem Betrug macht den Neuankömmlingen das Klima und die ihnen unbekannte Tierwelt zu schaffen. Tochter Hanna Isenbügel erkrankt zwischenzeitlich schwer und nach nur fünf Wochen stirbt der erste Auswanderer der Siedlung. Schon wenige Wochen nach der Ankunft plant Hans Isenbügel gemeinsam mit mehreren anderen Familien die Rückkehr, die sich allerdings noch bis Spätsommer 1924 hinauszögert.

Nur ungefähr ein Jahr nach ihrem Aufbruch, am 09. Februar 1925, erwirbt die Familie ihr altes Haus in Mettmann zurück und zieht im Laufe des Jahres wieder dort ein. Noch ein weiteres Jahr später, im Januar 1926, sind auch die Möbel der Familie wieder in Deutschland angekommen.

Bedeutung des Objekts

Migration - damit wird auch heute oft im allgemeinen Verständnis ein einfacher, eindeutiger Prozess assoziiert: Eine Person startet in Land 1, um sich in Land 2 niederzulassen und dort zu bleiben. Dabei verlaufen viele Geschichten so wie die der Isenbügels nicht geradlinig. Auswanderungen mit (geplanter oder ungeplanter) Rückkehr oder aber auch das Weiterwandern zu einem dritten oder vierten Ort sind üblich.

Das Foto, wie auch Hans Isenbügels im Nachhinhein zusammengestellter Bericht, legen zudem Zeugnis von einem gescheiterten Vorhaben ab. Mit dem Grund ihrer Rückkehr ist die Familie kein Einzelfall – denn im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert werden Migrant:innen in verschiedenen Einwanderungsländern immer wieder Opfer von Betrüger:innen.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0

oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

Archiv: Bisherige Objekte des Monats