Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

Januar 2022

Vierseitiger Fragebogen vom 16. August 1946 (Reproduktion)

Material

Papier

Maße

28 cm x 21,6 cm

Schenkung

Margarita Weiss

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Historische Einordnung

Der Monat Januar, benannt nach Janus, der zweigesichtigen römischen Gottheit des Anfangs und des Endes steht für viele Menschen traditionell für einen Neubeginn.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist ein weltweiter Neubeginn. Über acht Millionen Menschen, die zuvor von den Nationalsozialisten gewaltsam fortgebracht wurden, sind heimatlos. Sie werden als Displaced Persons bezeichnet, sind also ganz wörtlich: versetzt, verdrängt, vertrieben. Die meisten von ihnen stehen vor dem Nichts, ihre Familien, Freund:innen wurden ermordet. Die Grauen des Nationalsozialismus fordern die Leben von Millionen Menschen und haben schwerwiegende vielförmige Konsequenzen weltweit.  

Am 27. Januar 1945 wird das nationalsozialistische Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von sowjetischen Truppen befreit. Seit 2005 wird weltweit an diesem Tag der Opfer der nationalistischen Verbrechen gedacht. Außerdem steht dieser Tag symbolisch für die Verantwortung über die Gründe, Konsequenzen und Dynamiken der Verbrechen aufzuklären – für einen Neubeginn einer globalen Gemeinschaft, die resistent ist gegenüber Ideologien des Hasses.

Kurzbiographie

Samuel Weiss verlässt am 14. Dezember 1947 auf der amerikanischen „SS Marine Tiger“ von Bremerhaven aus den europäischen Kontinent und kommt am 25. Dezember in seiner neuen Heimat New York City an. Er ist einer der Überlebenden der Gewalttaten des Nationalsozialismus. Geboren wird er in der kleinen tschechischen Stadt Velky Sevlush am 27. November 1929. Samuel Weiss` Familie ist jüdisch. Im Alter von nur vierzehn Jahren wird Samuel Weiss gemeinsam mit sechs jüngeren Geschwistern und seiner Mutter gewaltsam in das nationalsozialistische Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Fast seine gesamte Familie wird hier ermordet. Samuel Weiss wird zwischen 1944 und 1945 in vier weitere Konzentrationslager deportiert bevor er in Zittau befreit wird. Mit ihm überlebt nur ein Bruder, der während des Krieges mit falschen Papieren fliehen konnte.

In Amerika beginnt Samuel Weiss ein neues Leben. Hier findet er nicht nur seine Tante, die eine Bürgschaft für ihn stellt, und seinen Bruder, sondern auch die Liebe seines Lebens: Margarita. Margarita und Samuel lernen sich in Mexico City kennen und heiraten drei Wochen später. Zusammen ziehen die beiden zu Samuels Bruder nach Los Angeles. Gemeinsam gründen sie ein Unternehmen und sind Geschäftspartner. Die Kinder Vivian und Leonard Weiss komplettieren die Familie. Samuel Weiss verstirbt am 17. Juni 2013 im Kreis seiner Familie.

Bedeutung des Objekts

Mehr als 500.000 Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg heimatlos sind, verlassen auf ehemaligen Truppentransportschiffen von Bremerhaven aus Europa. Einer von ihnen ist Samuel Weiss. Er kehrt seinem ehemaligen Zuhause den Rücken und wird erst im Jahr 2008 mit seiner Frau an den Abfahrtshafen zurückkehren. Samuel Weiss` Geschichte ist ein Bericht über die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Geschichte eines Neubeginns. Beides spiegelt sich in dem Fragebogen, den Samuel Weiss vor seiner Abreise in Deutschland ausfüllt, wider. 

Das Deutsche Auswandererhaus gedenkt gemeinsam mit Ihnen der Opfer des Terrors der Nationalsozialisten.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0 oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

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