Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

Juli 2022

Digitales Foto von Marwan Zeno, 2014

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394,7 KB

Schenkung

Marwan Zeno

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Historische Einordnung

Der bundesweite Tag der Seenotretter:innen wird 1996 durch die Initiative der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger ins Leben gerufen. Seither wird der Aktionstag am letzten Sonntag im Monat Juli begangen. Weltweit gibt es zahlreiche staatliche wie zivilgesellschaftliche Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Leben von auf den Wassern dieser Erde in Gefahr Geratenen zu retten. Hierbei riskieren die Rettungskräfte, seien es hauptberufliche oder freiwillige, oft viel. Nach internationalem Seerecht gilt, Menschen, die in Seenot geraten, unabhängig von den Umständen zu helfen. Sie müssen an einen sicheren Ort verbracht werden, an dem keine weiteren Gefahren drohen und ihre Grundbedürfnisse gewahrt werden können.

Die sogenannte Mittelmeerroute gilt als eine der gefährlichsten Fluchtwege weltweit. Wie viele Menschen dabei umkommen, verschleppt oder verletzt werden, kann nur schwer erfasst werden. Laut Schätzungen der UNO starben auf dieser Route im Jahr 2021 1589 Menschen oder gelten seither als vermisst.

Kurzbiographie

Marwan Zeno wird im Juli 1971 in Beirut geboren. Im Alter von zwei Jahren zieht seine Familie in das Dorf Binnish nahe Idlib im Nordwesten Syriens. Hier geht Marwan Zeno zur Schule und unterstützt die Eltern bei der Feldarbeit. Als 17-Jähriger wird er für zwei Jahre zum Militärdienst eingezogen wird. Anschließend geht er mit 19 Jahren nach Damaskus, um in einem Bekleidungsgeschäft zu arbeiten. Im Jahr 2000 heiraten Marwan Zeno und Iman – Sohn Ahmed wird 2001, Tochter Sarah 2003 geboren.

Im Jahr 2011 bricht in Syrien Krieg aus. Marwan Zeno zieht mit seiner Familie zunächst nach Beirut in den Libanon. 2014 entschließt er sich aus mehreren Gründen zur Flucht; mit dem festen Vorhaben seine Familie nachzuholen. Zusammen kehren sie zunächst nach Damaskus zurück. Dort beginnt Marwan Zenos Fluchtroute, die ihn an die türkische Hafenstadt Mersin führt. Von hier aus begibt er sich auf eine gefährliche Reise über das Mittelmeer. 6000 Dollar zahlt er für die Überfahrt. Weitere 200 Menschen sind mit Marwan Zeno an Bord. Teilweise gibt es für jede Person nur eine Dattel pro Tag Verpflegung und dazu eine kleine Flasche Trinkwasser. Das Schiff gerät in Seenot und wird schließlich von der italienischen Seenotrettung geborgen. Insgesamt ist Marwan Zeno zwölf Tage auf dem Meer. Sein Weg führt ihn weiter nach Deutschland, bis er schließlich in Bremen ein neues Zuhause findet.

Bedeutung des Objekts

Die Fotografie von 2014 zeigt Marwan Zeno (unten rechts) unmittelbar nachdem sie von der italienischen Küstenwache gerettet wurden. Das Gruppenfoto hält den Moment des Zusammenhalts sich unbekannter Menschen fest, die miteinander eine schwierige Situation durchleben mussten. Die Erleichterung steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Außerdem vermittelt das Foto eine Perspektive, die nur selten in den Medien zu sehen ist: Es zeigt die Individualität und Persönlichkeit der Menschen. Zu oft werden Fotos von flüchtenden Personen ohne ihr Einverständnis veröffentlicht. Sie sind von oben oder von Land aus aufgenommen, im Moment des „in Empfang Nehmens“. So entstehen Bilder, die entmenschlichend und anonym wirken können.

Das Foto zeigt auch die Bedeutung digitaler Objekte für die Migrationsforschung. Neue Technologien stellen einen immer höheren Stellenwert dar, sowohl für Migrant:innen als auch für die Wissenschaftler:innen.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0

oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

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