Objekt des Monats
Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.
Juli 2025
Gemälde "The End of Nowhere" von Paris Giachoustidis, 2023
Material | Öl und Acryl auf Leinwand |
Maße | 150 cm x 150 cm |
Dauerleihgabe | Stiftung Deutsches Auswandererhaus |
The End of Nowhere, Paris Giachoustidis, 2023.
Historische Einordnung
The End of Nowhere (Deutsch: Das Ende von Nirgendwo) ist ein Gemälde des Künstlers Paris Giachoustidis. Das Werk entstand als Teil einer Serie, die den Themen Träume und Sehnsucht gewidmet ist, und wurde erstmals 2023 in Giachoustidis‘ erster Einzelausstellung Paris in Wonderland in der Kornfeld Galerie Berlin gezeigt. 2024 war das Werk erneut in The Space in Hamburg zu sehen – dort wurde es auch erstmals verkauft.
Das träumerisch-romantische, zugleich melancholische Bild zeigt einen jungen Mann auf einer fremden Welt, der auf eine ferne, erdähnliche Kugel blickt. Sein Name ist Paris; laut Aussage des Künstlers handelt es sich um ein Selbstporträt. Er verlässt einen zerstörten Planeten, weil es zu spät ist, ihn zu retten. Diese Szene steht sinnbildlich für Migrationsbewegungen, ausgelöst durch Krieg, Umweltkatastrophen oder wirtschaftliche Krisen. Solche Entwicklungen, so der Künstler, werden häufig zu spät erkannt – und zwingen Menschen zur Flucht, oft ohne zu wissen, was sie erwartet.
Giachoustidis verweist auf konkrete historische Ereignisse, die das Werk beeinflusst haben, und macht dabei deutlich, wie vielfältig die Ursachen von Migration sein können. So nennt er beispielweise die verheerenden Waldbrände in Kalifornien, bei denen der Klimawandel eine zentrale Rolle spielt. Diese Brände, mit ihrem Höhepunkt 2020, zerstörten Lebensräume und zwangen ganze Gemeinschaften zur Umsiedlung – etwas, das heute als Klimamigration bezeichnet wird. Als weiteren Aspekt führt er die russische Invasion in der Ukraine seit 2022 an, die Millionen Menschen zur Flucht zwang. Darüber hinaus fließt auch seine eigene Migrationsgeschichte ein. Als griechischer Einwanderer in Deutschland kommt er selbst aus einem Land, das von einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Krise betroffen war.
Jörg Schulz (Stiftung DAH), Paris Giachoustidis und Dr. Simone Blaschka (Direktorin des DAH) vor dem Gemälde "The End of Nowhere", 19. Mai 2025.
Dank der großzügigen Förderung durch die Stiftung Deutsches Auswandererhaus war es möglich, dieses Werk für die Sonderausstellung Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?, die vom 4. Juli 2025 bis zum 7. Januar 2026 gezeigt wird, anzukaufen.
Kurzbiographie
Paris Giachoustidis wurde 1990 in Serres, Griechenland, geboren und lebt seit 2015 in Berlin. Er studierte Kunst an der Aristoteles-Universität Thessaloniki und an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er Bachelor- und Masterabschlüsse erwarb. 2017 erhielt er den Kunstpreis der Galerie Haus am Kleistpark. In seiner künstlerischen Praxis verarbeitet er historische und zeitgenössische Motive in realistische Zeichnungen und Gemälde. Seine Arbeiten sind von der Ästhetik der 1990er-Jahre, der frühen Internet-Ära und den Young British Artists beeinflusst.
Bedeutung des Objekts
Wovon träumen wir, wenn wir in die Sterne blicken? Was bleibt, wenn „Zuhause“ kein sicherer Ort mehr ist? Was nehmen wir mit ins Unbekannte? Fragen wie diese stehen im Mittelpunkt unserer Sonder- und Dauerausstellung. The End of Nowhere greift sie direkt auf und verleiht unserer Auseinandersetzung mit Migration – auch mit Blick auf eine zukünftige Migration ins All – emotionale und existenzielle Tiefe.
Die Person auf dem fremden Planeten vermittelt, wie sich eine solche Reise anfühlen könnte. Migration steht oft für Hoffnung und Neuanfang, bedeutet aber auch Entfremdung und Verlust – Erfahrungen, die viele Auswandernde zu allen Zeiten und an allen Orten teilen. Die Spannungen – zwischen Aufbruch und Unsicherheit – gelten nicht nur für irdische Grenzen. Sie könnten genauso gut für ein Leben jenseits unseres Planeten stehen. Könnte eine gemeinsame Reise – ein Akt kollektiver Migration – die Menschheit angesichts planetarer Migration näher zusammenbringen? Der Künstler träumt davon.
Das Werk lässt sich nicht eindeutig deuten. Es lädt die Betrachtenden ein, ihre eigenen Geschichten und Fragen mitzubringen: Wo spielt diese Szene? Wovon träumt dieser Mann? Blickt er zurück zur Erde – oder nach vorne, auf etwas Neues? Für manche symbolisiert der erdähnliche Planet ein verlorenes Zuhause, das mit Sehnsucht erinnert wird. Für andere – eine bessere Zukunft. Vielleicht erkennen sich manche im Gefühl des Fremdseins wieder – oder finden Trost in der Einsamkeit. Wie der Künstler erzählt, gibt es keine „richtige“ Art, dieses Bild zu verstehen – es ist abstrakt und alles hängt von unseren persönlichen Erfahrungen ab. Eines aber ist sicher: The End of Nowhere geht es weniger darum, Antworten zu geben, sondern vielmehr darum, Fragen zu stellen.
Haben auch Sie …
… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0
oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de