Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

Juni 2022

Tagebuch von Monika Reitzig, 1959

Material

Papier, Leder

Schenkung

Monika Mügge geb. Reitzig

_Mugge49d-1651564576-1654602548

Historische Einordnung

Der 12. Juni ist der Tag des Tagebuchs. Die Wahl des Datums für diesen besonderen Tag geht zurück auf den Geburtstag der Jüdin Anne Frank. Zu ihrem dreizehnten Geburtstag am 12. Juni 1942 bekommt sie von ihrem Vater ein Notizbuch geschenkt. Anne Frank nutzt es als Tagebuch. Sie schreibt über ihre Familie, ihre Freunde, den Alltag eines jungen Mädchens – und wie sich das jüdische Leben, ihr Leben, unter dem Druck des Nationalsozialismus zunehmend verändert. Sie schreibt in dieser beklemmenden Zeit auch im Hinterhaus in der Prinsengracht 263 in Amsterdam weiter, wo sich ihre Familie ab Juli 1942 versteckt. Wer den entscheidenden Hinweis gibt und die Familie schließlich verrät, wird nie abschließend geklärt, doch am Morgen des 4. August 1944 erscheint die Gestapo und nimmt Familie Frank fest. Anne Frank stirbt 1945 im KZ Bergen-Belsen. Ihr Tagebuch gehört heute zur Weltliteratur.

Kurzbiographie

Die Bremerin Monika Reitzig reist im März 1959 in der Touristenklasse der „Berlin“ von Bremerhaven nach New York. Die siebzehnjährige möchte in den USA ein Jahr als Austauschschülerin bei ihrer Gastfamilie Nimz verbringen. Gemeinsam mit ihrer US-amerikanischen Freundin, June Ashley, die wiederum als Austauschschülerin in Deutschland war und nun zurück in die USA fährt, erlebt sie eine dramatische Überfahrt: Die „Berlin“ gerät in einen schweren Sturm, und vier Matrosen werden bei Reparaturversuchen einer zerschmetterten Luke über Bord gespült und getötet.

So schrecklich sich die Hinreise für Monika gestaltet, umso erfreulicher ist ihre Rückreise nach einem erlebnisreichen Jahr im April 1960: An Bord der „Bremen“ lernt sie ihren späteren Mann Horst Mügge beim Tischtennis spielen kennen. Auch er war nur temporär in den USA, im Rahmen einer geschenkten Reise zum bestandenen Abitur.

Bedeutung des Objekts

Tagebücher geben uns einen sehr persönlichen Einblick in den Alltag von Menschen, ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle. Die Aufzeichnungen ermöglichen es uns, die Stimmen lebender Menschen ebenso wie die längst Verstorbener zu hören und vergangene Ereignisse durch die Augen der Zeitzeug:innen zu sehen. So erfahren wir durch Tagebücher, wie viel ein deutscher Farmer 1883 in Wisconsin für eine Kuh ausgeben musste oder wie die deutsche Austauschschülerin Monika Reitzig 1959 ihre Überfahrt in die USA erlebte. Wir erfahren durch Tagebücher, wie ein jüdisches Mädchen den Alltag im Nationalsozialismus erlebte oder Soldat:innen die Zeit an der Front.

Migrationsforscher:innen können durch Tagebücher aber auch den Aufbau neuer Gemeinden und Communities begleiten oder erfahren, welche Rolle die in der alten Heimat Zurückgelassenen spielen und wie nach einer Auswanderung Kontakte gehalten werden. Tagebücher berichten über die Suche nach einer Arbeitsstelle oder einer Wohnung, die Sorge um kranke Familienmitglieder oder den Treppentratsch mit den Nachbar:innen. Und sie spiegeln Gefühle wie Fremdheit, Heimweh, Angst aber auch Freude, Liebe oder Stolz wider.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0

oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

Archiv: Bisherige Objekte des Monats