Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

März 2024

Schildkrötenpanzer, 1940er Jahre

Größe

6,3 x 5,7 x 8,8 cm

Material

Horn, Schnur aus Naturfaser

Schenkung

Renate Hensel

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Historische Einordnung

Im September 1940 ersucht Benito Mussolini bei dem verbündeten Deutschland militärische Unterstützung gegen Großbritannien im Kampf um die italienischen Kolonialgebiete in Nordafrika. Zur Stabilisierungund Verteidigung der sogenannten „Berlin-Rom-Achse“ sichert Adolf Hitler seine Unterstützung zu und unter Befehlshaber Erwin Rommel landen Anfang 1941 nationalsozialistische Militärtruppen in Tripolis.

Nach anfänglichen Erfolgen des sogenannten „Afrikafeldzuges“ wurden durch verschiedene britische Großangriffe, bei gleichzeitiger schwieriger Versorgungslage der deutschen Einheiten und letztendlich durch die Aufstockung von mehr als 100.000 britischer und US-amerikanischer Soldaten, die „Achsenmächte“ 1943 in Tunis zur Kapitulation gezwungen. Rund 135.000 deutsche Soldaten werden von den US-amerikanischen Truppen in Kriegsgefangenschaft genommen.

Kurzbiographie

Wilhelm Ernst wird 1923 in Hamburg geboren. Im Jahr 1937 beginnt er seine Lehre im Dreherhandwerk bei der Firma Gebr. Leser-Armaturenfabrik, die er 1940 abschließt. Bis zu seinem Militäreinzug im März 1942 arbeitet er in seinem gelernten Beruf. Während des nationalsozialistischen Afrikafeldzugs in Libyen kämpft Wilhelm Ernst in der Infanterie, bis er 1943 in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft fällt.

Im November 1943 kommt er im ersten Kriegsgefangenlager Breckinridge im US-Bundesstaat Kentucky an. Es geht für Wilhelm Ernst in drei weitere Lager, bis er 1946 in britische Gefangenschaft überwiesen wird. 1947 wird er nach Deutschland repatriiert und kommt zunächst bei der Familie seines Bruders als sogenannter „Spätheimkehrer“ im schleswig-holsteinischen Quickborn bei Hamburg unter. Dort wird sich Wilhelm Ernst mit seiner späteren Frau und Mutter seiner beiden Töchter niederlassen.

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Begeistert sich Wilhelm Ernst zwar leidenschaftlich für Autos, Handball und ist im Allgemeinen ein sehr geselliger Zeitgenosse, wird er doch nie Familienmensch. Seine Ehe wird schließlich 1979 geschieden und seine Töchter beschreiben das Verhältnis zu ihrem Vater als „stets schwierig“. Wilhelm Ernst wird auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.

Bedeutung des Objektes

Der Schildkrötenpanzer ist eines der Objekte, die Wilhelm Ernst‘ Tochter nach seinem Tod von seiner zweiten Frau postalisch zugestellt werden. Das Objekt bringt er aus der Zeit der Kriegsgefangenschaft, vermutlich aus Arizona, mit nach Deutschland. Seine Familie erinnert sich, dass er es zeitlebens fürsorglich aufbewahrt. Ob er die Schildkröte als Haustier hielt oder ob er ausschließlich den Panzer findet und aufbewahrt, wird der Familie nicht weitergegeben. Das Objekt symbolisiert nicht nur die persönliche Erinnerung an die Zeit in Kriegsgefangenschaft, sondern zeigt auch, dass dieser Teil des Lebens von Wilhelm Ernst von bestimmtem Gewicht für ihn ist.

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Seinen Aufenthalt in den USA, wo er wie viele andere deutsche Kriegsgefangene für die US-Streitkräfte in der Küche des Stützpunktes arbeitet, wird er später als angenehm und „Abenteuer“ beschreiben. In den USA lebt er unter guten Bedingungen, so mangelt es beispielsweise nicht an reichlich Verpflegung und die Unterbringungen sind gepflegt und haben eine moderne Ausstattung. Außerdem bekommt er vom Staat eine Art Lohnzahlung.

Die USA sind wie kein anderes Land darum bemüht, das 1929 getroffene „Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen” zu erfüllen. Im Gegensatz zu seiner Zeit in US-amerikanischer Gefangenschaft erzählt Wilhelm Ernst von der britischen Internierung nur eines: „Es war furchtbar.“

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0

oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

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