Brief, 1934
Georg Karl Hermann Cronemeyer, genannt Jörge, stammte aus gutbürgerlichem Bremerhavener Elternhaus. 1907 als drittes Kind und erster Sohn eines Arztes geboren, wurde von ihm erwartet, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Doch mit 20 Jahren hatte der an Musik interessierte junge Mann noch kein Studium aufgenommen. Stattdessen war er auf Vermittlung seines Vaters zu seinem ausgewanderten Onkel Heinrich in die USA „geflohen“. Es sei „nötig [gewesen], von zu Hause fortzukommen, um zu sehen, wie das Leben ist“, schrieb Jörge den Eltern aus San Francisco, der Stadt, die er später als sein Zuhause betrachtete. Zur Versöhnung mit dem Vater kam es nicht mehr: Dieser starb 1944, mitten im Zweiten Weltkrieg. Jörge hat ihn nicht noch einmal wiedergesehen. Und auch die Jugend Jörges in den USA verging schnell: "Gone with the wind" nannte er später das Kapitel über seine Jugend in den Lebenserinnerungen, die er kurz vor seinem Tod fertigstellte. Darin berichtet er von seinem von Arbeit geprägten Leben und von vielen Enttäuschungen und Entbehrungen als erwachsener und alter Mann. Doch darin ist auch die Rede von seiner Freude an klassischem Gesang, von seinen auf Englisch verfassten Gedichten, vielen jahrzehntelangen Freundschaften und seinem lebenslangen Kontakt zur Familie in Deutschland. Das Land seiner Geburt und frühen Jugend sieht er 1971 nach fast 40 Jahren noch einmal anlässlich einer Familienfeier wieder. 1978 starb Jörge mit 71 Jahren in San Francisco.
© Sammlung Deutsches Auswandererhaus, Schenkung Reinhard Groscurth