Streitpunkt Staatsbürgerschaft

Im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven lassen sich historische Perspektiven auf die Debatte rund um Staatsangehörigkeit und Einwanderungsgesetz entdecken

Wie ein zeitgemäßes Einwanderungsgesetz aussehen kann, wird aktuell politisch diskutiert. Bereits um die Jahrtausendwende 1999/2000 dominierte das Thema die öffentliche Debatte. Verschiedene Perspektiven auf diese Auseinandersetzung eröffnet das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven: In seinem „Saal der Debatten“ kommen Betroffene, Aktivist:innen, Politiker:innen und Wissenschaftler:innen zu Wort.

Anhand von Ausstellungsstücken aus der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses lassen sich zudem die Biografien von Menschen nachvollziehen, die im Zuge ihrer Auswanderung eine neue Staatsbürgerschaft erhalten haben. Ihre Einbürgerungsgeschichten erlauben einen Vergleich, wer wann welche Staatsbürgerschaft erhalten konnte.

Mit „gutem Charakter“ in die USA

Der Tischler Oscar Weber aus Wesermünde wandert 1927 in die USA aus. Eine Absichtserklärung zur Einbürgerung gibt er jedoch erst am 27. April 1935 ab. Zwei Jahre danach, am 13. September 1937, erhält er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 

Bereits das Naturalization Law von 1795 besagt, dass eine Einbürgerung nach fünf Jahren Leben in den USA erfolgen kann, sofern die Absicht dazu zwei Jahre zuvor erklärt worden und die Person von „gutem Charakter“ war. Bis heute wird es in den USA ähnlich gehandhabt: Laut Immigration and Nationality Act muss eine Person für die Einbürgerung legal eingewandert sein, mindestens 18 Jahre alt sein, mindestens fünf Jahre in den USA gelebt haben (und während der fünf Jahre vor Antragsstellung mindestens 30 Monate physisch im Land anwesend gewesen sein) und darf keine Vorstrafen haben. In einem Einbürgerungstest muss sie zudem ausreichende Englischkenntnisse sowie Kenntnisse der Geschichte und des Regierungssystems der USA nachweisen.

Als Facharbeiter:innen nach Australien

Barbara Kissling und ihr Mann Wilfried, von Beruf Zimmermann, entschließen sich 1959 zur Auswanderung nach Australien. Während es in Deutschland schwer ist, ein Auskommen zu finden, werden dort Facharbeiter dringend gesucht. Ende Januar 1960 kommt das Bochumer Ehepaar gemeinsam mit seinen zwei Kindern in Melbourne an. Sieben Jahre später, am 15. September 1967, erhält Barbara Kissling die australische Staatsbürgerschaft.

Bis 1949 gab es keine eigene australische Staatsbürgerschaft; wer in Australien geboren oder eingebürgert wurde, war britischer Staatsbürger. Das ändert sich mit dem Inkrafttreten des Nationality and Citizenship Act, nach dem auch Barbara Kissling eingebürgert wird. Um die australische Staatsbürgerschaft zu erlangen, dürfen Ausländer:innen frühestens ein Jahr nach ihrer Einreise eine Willenserklärung auf Einbürgerung abgeben. Frühestens zwei Jahre (und spätestens sieben Jahre) nach Abgabe dieser Willenserklärung kann der Antrag auf Erteilung einer Einbürgerungsurkunde erfolgen.

Seit dem Australian Citizenship Act 2007 kann Ausländer:innen die australische Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn sie mindesten 18 Jahre alt sind, mindestens vier Jahre im Land gelebt haben, ein Jahr lang einen ständigen Wohnsitz haben, einen „guten Charakter“ aufweisen und Englischkenntnisse sowie „angemessene“ Kenntnisse über Australien nachweisen können.

Der Weg zum kanadischen Staatsbürger

Abenteuerlust und der Unwille zum deutschen Wehrdienst bewegen den Saarländer Hans Scheib im Sommer 1960 zur Auswanderung nach Kanada. Der Anfang dort ist nicht leicht für ihn, doch nach einigen Jahren etabliert er sich beruflich und gründet eine Familie. Neun Jahre nach seiner Ankunft, am 25. September 1969, erhält der Maurer die kanadische Staatsbürgerschaft.

Die kanadische Staatsbürgerschaft als eigener, von der britischen Staatsangehörigkeit getrennter Status, wird erst durch den Canadian Citizenship Act geschaffen, welcher 1947 in Kraft tritt. Einwander:innen können diese kanadische Staatsangehörigkeit beantragen, wenn sie fünf Jahre lang im Land gelebt haben, einen „guten Charakter“ aufweisen und über ausreichende Englisch- oder Französischkenntnisse verfügen.

Heute müssen Einwander:innen mindestens 18 Jahre alt sein, eine Niederlassungserlaubnis besitzen und mindestens drei der letzten fünf Jahre vor ihrer Antragstellung in Kanada gelebt haben, um die kanadische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Darüber hinaus müssen sie in Englisch oder Französisch kommunizieren können, und die Sprachkenntnisse durch einen Sprachtest oder einen Hochschulabschluss in Englisch oder Französisch nachweisen. Zudem müssen die Antragsteller:innen einen Einbürgerungstest bestehen, mit dem sie Landeskenntnisse sowie Kenntnisse über ihre staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten nachweisen. 

Downloads

Bild 1: US-amerikanische Staatsbürgerschaftsurkunde für Oscar Weber, 1937. Sammlung Deutsches Auswandererhaus, Schenkung Sieglinde Drutschmann

Bild 2: Australische Einbürgerungsurkunde für Barbara Kissling, 1967. Sammlung Deutsches Auswandererhaus

Bild 3: Kanadische Staatsbürgerschaftsurkunde für Hans Scheib, 1969. Sammlung Deutsches Auswandererhaus, Schenkung Hans Scheib

PDF: Pressemitteilungstext

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