Vortragsreihe

Shifting Grounds

Wie sich Kunst und Kultur behaupten

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Für Jelisaweta Kozak (Kosak) änderte sich am 24. Februar 2022 ihr Leben von einem Tag auf den anderen. Eigentlich hatte sie den Löffel, den das Motiv oben zeigt, mit ihrem eingravierten Namen nur zufällig im Gepäck – als praktisches Utensil für einen Skiurlaub. Doch mit Beginn des Krieges in der Ukraine wurde er zum stummen Begleiter auf ihrer Flucht nach Deutschland und zu einem Symbol für den Verlust der Heimat und den erzwungenen Neuanfang. Heute ist er Teil der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses

Gerade weil er für den plötzlichen Wandel von Gewissheiten steht, ist dieser Löffel ein passendes Sinnbild für die Vortragsreihe, die das Deutsche Auswandererhaus in Kooperation mit der Heinrich Böll-Stiftung Bremen über zwei Halbjahre hinweg veranstaltet: Globale Krisen und technologische Transformationen stellen viele unserer Gewissheiten in Frage und verändern Kultur, Umwelt, unser Zusammenleben – vielleicht sogar uns selbst. Als Antwort entstehen alternative Zukunftsentwürfe – wie die Vision der Space Migration, welche die aktuelle Sonderausstellung Verlockung Weltall präsentiert. Die Vortragsreihe Shifting Grounds stellt konkrete Beispiele aus Gegenwart und Geschichte vor und zeigt, wie sich Kunst und Kultur in Zeiten des Wandels behaupten.

21.10.2025, 18:00 Uhr

Der Streit um die Erinnerung
Paweł Machcewicz (PL) & Edward Tepporn (USA) über Museen im Visier der Politik
(in englischer Sprache)

Die Nachricht, dass Donald Trump Ausstellungen berühmter Museen auf unbequeme Darstellungen der US-Geschichte überprüfen lassen will, sorgte kürzlich für Schlagzeilen. Doch auch in Europa ist der Kampf um historische Deutungshoheit nichts Neues: 2017 geriet Pawel Machcewicz, Gründungsdirektor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Gdánsk, mit der PiS-Regierung aneinander – er wurde entlassen, das Museum umgestaltet. In seinem Vortrag schildert Machcewicz die Ereignisse und diskutiert mit Edward Tepporn, Direktor des Angel Island Museums in San Francisco.

31.10.2025, 19:30 Uhr

Literatur als Ort der Auseinandersetzung
Doppellesung mit Dmitrij Kapitelman & Yevgeniy Breyger
Kooperation mit dem globale° Literaturfestival

Zwei Stimmen, zwei Gattungen – ein gemeinsames Thema: Wie Krieg und politische Gewalt Identität, Sprache und Beziehungen verändern. Dmitriy Kapitelman erzählt in seinem neuen Roman Russische Spezialitäten von der Flucht einer Familie aus der Sowjetunion nach Deutschland, von Fremdheitserfahrungen und von der schmerzhaften Entfremdung des Protagonisten zu seiner Mutter, die an Putins Propaganda festhält. Der Lyriker Yevgeniy Breyger setzt sich in seinem Gedichtband Frieden ohne Krieg mit den Reaktionen auf den Ukrainekrieg auseinander. Direkt, unerschrocken und experimentierfreudig zeigt er, wie politische Realität in die intimsten Bereiche dringt und dennoch Raum für Humor, Tragik und Schönheit bleibt.

04.11.2025, 18:00 Uhr

Utopie auf dem Mond?
Alexander Fromm liest aus Martin Salomonskis wiederentdecktem Roman „Zwei im andern Land“ (1933).

Die Idee der „Space Migration“ als Reaktion auf Perspektivlosigkeit ist kein Kind unserer Zeit: Ein Exponat der aktuellen Sonderausstellung im DAH zeigt dies eindrücklich – die Zeichnung des jungen Petr Ginz aus Theresienstadt. Tatsächlich gibt es auch einen Roman, der diese Vision vorwegnimmt: In Zwei im andern Land (1933) lässt der später in Auschwitz ermordete Berliner Rabbiner Martin Salomonski die jüdische Bevölkerung in einer utopischen Vision auf den Mond auswandern – fern von Verfolgung und Antisemitismus. Der grotesk-futuristische Roman ist Ausdruck existenzieller Verunsicherung und kreative Gegenwehr zugleich. Alexander Fromm, Herausgeber der Neuedition, stellt den wiederentdeckten Text vor, liest Passagen und ordnet sie historisch wie gegenwärtig ein.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.


Die Vortragsreihe wird gefördert von der Dieckell Stiftung. Weitere Termine folgen.