Photographie, 1958
Das Foto hält einen Moment im doppelten Sinn des Wortes bildlich fest: einen flüchtigen Augenblick und einen geschichtlichen Abschnitt. Einen Augenblick nämlich der Bremerhavener Stadtgeschichte, von dem diejenigen, die ihn erlebt haben, bis heute erzählen. 700 Mädchen und Jungen stehen an dem nebeligen Morgen des 1. Oktober 1958 an der Columbuskaje, um ihr Idol willkommen zu heißen. Einer von ihnen, Helge Rothenberg, klettert waghalsig die Gangway herauf und streckt Elvis einen Stift entgegen. Alles, was er will, ist ein Autogramm. Leider fällt dem „King of Rock’n’Roll“ jedoch der Kugelschreiber herunter und die Chance ist vertan. Statt des Autogramms aber bleibt dem Jungen das Foto von ihm und dem „King“. Das Foto, das auch einen ganzen geschichtlichen Abschnitt festhält, indem es ihm „ein Gesicht verleiht“: die Zeit der amerikanischen Besatzung. Wie Elvis Presley unter den 1.300 G.I.s, so kam unter ihr eben auch etwas vom amerikanischen Lebensstil nach Deutschland – und Bremerhaven fungierte als dessen Avantgarde. Welche Mode auch immer – bevor sie den Rest von Deutschland erreichte, war sie in Bremerhaven bereits verbreitet. Bremerhaven war die Stadt der Hamburger, von Coca Cola und Ice Cream. Migrationsgeschichte hat Bremerhaven nicht nur als zeitweise größter Auswanderungshafen Europas geschrieben – sondern auch sozusagen als „Port of Enculturation“, als wichtigster Einfuhrhafen amerikanischer Kultur nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
© Sammlung Deutsches Auswandererhaus, Schenkung Andreas Heller