Waltraud und Erich Kosak

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lernen sich die beiden Jugendlichen Waltraud Sommer und Erich Kosak auf der Handelsschule in Eisleben kennen. Erich Kosak stammt aus einer Bergbaufamilie; schon seine polnischen Großeltern waren aufgrund dieser Arbeitsmöglichkeit in dieses Gebiet in Sachsen-Anhalt migriert. Eher durch einen Zufall landet der junge Mann auf der Handelsschule. Auch Waltraud Sommers Weg zur Handelsschule ist nicht vorgezeichnet. „Das war damals keineswegs selbstverständlich. Meine Großmutter kam aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Es war jeden Monat ein Kampf, das Schulgeld aufzubringen, obwohl sie sehr gute Noten hatte und ein Stipendium bekommen hat“, sagt Enkeltochter Bettina Gerken. Während des Zweiten Weltkriegs wird Erich Kosak eingezogen, Waltraud Sommer leistet verschiedene Arbeitsdienste ab. Als Erich Kosak schließlich von der Ostfront zurückkehrt, ist er schwer verletzt. Nur mit Mühe lernt er wieder zu gehen. Ein Jahr nach Ende des Krieges heiraten die beiden in Eisleben. Erich Kosak arbeitet zu dieser Zeit in einem Bergbaukombinat in Helbra. Er kritisiert die Erhöhung der Sollpläne durch die Politik als nicht erfüllbar und macht sich damit unbeliebt. Zur Strafe wird er in die Buchhaltung versetzt. Waltraud Kosak arbeitet als Sekretärin im selben Betrieb, sie hat keine beruflichen Probleme. 1951 wird ihre Tochter Carola geboren. Erich Kosak beginnt ein Studium an der Bergbauingenieursschule, wo es endgültig zum Bruch mit dem Staatssystem kommt: Als er aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht an solidarischer Arbeit im Bergbau teilnehmen kann, werden ihm erst unlautere Motive unterstellt, dann wird er exmatrikuliert. Erich Kosak sieht keine wirtschaftliche Zukunft mehr für sich und seine Familie und will die DDR verlassen. Waltraud Kosak ist schockiert – eigentlich möchte sie ihre Existenz und ihr gerade im Bau befindliches Haus nicht einfach zurücklassen. Schließlich lässt sie sich doch von ihrem Mann überzeugen. Erich und Waltraud Kosak fliehen Ende 1957 getrennt voneinander. Erich ist öfter als Geschäftsreisender in West-Berlin, Waltraud soll mit Tochter Carola nachkommen. Im Zug nach Berlin fliegt der Plan beinahe auf. Waltraud Kosak wird kontrolliert und es erscheint seltsam, dass sie sämtliche Spielsachen des Kindes dabeihat. Carola wird getrennt von der Mutter über das tatsächliche Reiseziel ausgehorcht, aber sie gibt nichts preis. So gelangen die beiden doch nach West-Berlin. Im Flüchtlingslager Marienfelde wartet das Ehepaar auf seine Übersiedlung in die BRD. Die Tochter haben sie bei Verwandten außerhalb des Lagers untergebracht. Nur Bremen und das Saarland haben ihre Aufnahmequote für Geflüchtete mit einer körperlichen Einschränkung noch nicht erfüllt. Den Kosaks ist es zu unsicher, ob das Saarland nicht doch irgendwann wieder Frankreich zugeschlagen wird, deswegen entscheiden sie sich für Bremen. Sie werden dem Lager in der Barkhausenstraße in Bremerhaven zugewiesen. Erich Kosak fällt es, auch aufgrund seiner Verletzung, schwer, Arbeit zu finden. Schließlich wird er Versicherungsvertreter – kein Traumjob, aber etwas Anderes wird er trotz Bemühungen sein ganzes Berufsleben lang nicht finden. Waltraud Kosak übernimmt für ihn die Sekretariatsaufgaben. Die Familie bleibt in Bremerhaven, Carola geht hier zur Schule. Schließlich bauen sie ein eigenes Haus. Sie verbringen ihre Freizeit viel im Garten oder auf Reisen, auf die sie später auch ihre Enkeltochter Bettina mitnehmen. Die Freunde der Kosaks sind über die ganze BRD verteilt, oft sind diese ebenfalls aus der DDR geflohen. 1997 stirbt Erich Kosak. Waltraud Kosak lebt bis heute in Bremerhaven.
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© Deutsches Auswandererhaus

Waltraud und Erich Kosak gehören zu den Gesichtern, die seit Juni 2021 an der Fassade des neuen Deutschen Auswandererhauses zu sehen sind. Vor der Eröffnung des Erweiterungsbaus des Museums mit der künstlerisch gestalteten Fassade stellte die Nordsee-Zeitung die Personen zu den Gesichtern vor. Das entsprechende filmische Porträt von Waltraud Kosak können Sie hier sehen.

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